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 Der Zoll des Überlebens

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Sonnenschein
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Sonnenschein


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BeitragThema: Der Zoll des Überlebens   Der Zoll des Überlebens EmptyMo Jun 25 2012, 18:03

Kanzlei Dr. Janach und Partner: 14:30

Marie-Ulrike Janach:


Was glaubst du eigentlich was das hier ist?
Das ist eine Anwaltskanzlei und keine Ausbildungsstätte für zukünftige Germanys Next Topmodel Teilnehmerinnen, oder sehe ich etwas aus wie Gina-Lisa Lohfink (sprich: Schina- Lisa Loufingk)

Claudia Schwager:

Nur weil du dem Alten nach dem Arsch geplappert hast, musst du dich noch nicht hier als Chefin aufspielen.

Marie -Ulrike Janach:

Ich habe wenigstens nur dem Alten nach dem Arsch geplappert und bin im Gegensatz nicht das Klopapier von gefühlten 200 dutzend möchtegern Societybubis deren einziger Bartwuchs sich auf die Zahnbeharrung ihrer Mütter beläuft, die beim letzten stauchen ihrer Flügel aus deren Mündern geflogen sind.

Claudia Schwager:

Es kann ja nicht jeder sowie du als Männer hassende Eiskönigen durchs Leben gehen.

Marie - Ulrike Janach:

Besser eine Männerhassende Eiskönigen als eine niveaulose Schlampe und jetzt zieh Leine, denn ich kann deine vulgäre Visage und deinen von Unqualifiziertheit nahzu zerspringenden Gesichtsausdruck vor meinem Sehorganen nicht mehr ertragen. Ein richtiggehender Frevel, das du mit deiner Dummheit hier noch nicht Hausverbot hast. (öffnet das Fenter)

Claudia Schwager:

Was wird das?

Marie -Ulrike Janach:

Wo nach sieht es denn aus?
Ach ja, ich vergaß denken gehört nicht gerade zu den Dingen die du beherrscht, deine Qualitäten liegen bekannterweise ja um einiges tiefer.
Also damit dich die Unwissenheit nicht weiter quält.
Ich muss den Raum von der aufgestauten Dummheit befreien, mit der du ihn getränkt hast, sonst fallen uns noch Reihenweise die Mandanten um, weil sie nicht mehr denken können. Und jetzt geh mir endlich aus der Sonne.

Claudia Schwager:

(Lacht), Du wirst mich sicher nicht

Marie- Ulrike Janach:

Raus (brüllt)
Oh, doch, denn du willst ja sicher nicht das ich dich durchs Fenster entsorge. Stell dir das mal vor, welchen Schaden deine Frisur erleiden würde. Vermutlich könntest du die nächsten 14 Tage statt zwei Stunden zu spät überhaupt nicht mehr an deinem Arbeitsplatz erscheinen...wenn ich mir das so überlege, eine wahrliche Wohltat für meinen Geist.

Auf lauten Sohlen und mit einem Gesichtsausdruck als hätte sie ein ganzes Zitronenlager aufeinmal leergefressen, stolziert sie nun widerwillig in Richtung der Stelle, wo der Maurer die Wand ausgespart hat und bewegt ihr Hinterteil dabei, als wolle sie im vorübergehen noch schnell links und rechts den Staub von den Regalen fegen.

Marie-Ulrike Janach:

"Ich hab gar nicht gewusst, dass du so ein großes Mimikrepartoir hast. Bisher war ich davon überzeugt, dass du nur den "Eigentlich wollte ich ja Model werden, denn ich bin ja viel hübscher als Claudia Schiffer, aber dann habe ich mir gedacht, diese Branche ist Krisen sicherer" Blick drauf hast."
Kopfschüttelnd und mit einer zu dekorationszwecken angebrachten Zornesfalte auf der Stirn blickte sie dem Intelligenzgift hinterher.
Wenn ich die noch ein paar Jahre an der Backe habe, habe ich mit 35 ein Gesicht wie der Faltenhund und diese Umwandlung könnte nicht einmal mehr Arthur Worseg stoppen.
Wütend knallte sie einen Stoß Akten auf eines der nebenstehenden Regale, holte ihre Handtasche und verließ die Kanzlei.
"Diese Frau hat ja wirklich nur zwei Gehirnzellen. Eine für die Beihilfe zur Volksverblödung und die andere zum Arschwackeln.
Hätt die an der Pisastudie teilgenommen wären wir wohl auf dem 200 Platz, obwohl es gesamt nur 25 Teilnehmer waren.", schimpfte Marie-Ulrike im gehen und während des Abschließvorgangs wütend vor sich hin.

Friedhof:

Marie-Ulrike Janach:

An diesem Ort war sie schon seit Jahren nicht mehr gewesen. Immer hatte sie es sich vorgenommen, doch in letzter Sekunde wieder verschoben. Es war wohl die Angst vor der Vergangenheit, die sie immer davon abgehalten hatte, doch heute war es der Zorn auf die Lebenden gewesen, der sie hierher zu den Toten trieb. Vorsichtig und mit leicht zitternden in schwarze Lederhandschuhe eingeschlauchten Händen sowie einem stark pochenden Herzen schob sie das alte, schon teils rostige Eingangstor zum Friedhof langsam auf. Sie blickte angestrengt auf ihre Beine, die in eleganten schwarzen High Heels steckten und versuchte dem Trieb umzukehren zu wiederstehen.
Um genau zu sein, waren es neun Jahre seit dem sie nicht mehr hier war.Damals habe ich hier gestanden als Häufchen Elend vor den Trümmern meines Lebens oder vor den Trümmern dessen, was ich damlas als Leben empfand. Heute ist es komplett verschwunden, doch die Trümmer sind geblieben.
Langsam ging sie durch die einzelnen Reihen, blickte auf einige Grabsteine und errechnete das Lebensalter der Verstorbenen, ein alter Tick aus Kindheitstagen, als sie die Gegenwart von Verschidenen noch nicht fürchtete, in einer der Reihen sah sie einen Mann am Boden hocken und hörte seine nassen Laute der Trauer, in einer anderen stillte eine ältere Frau den Durst der Blumen. Begleitet von Lautlosigkeit erreichte Marie schließlich das Grab mit der Inschrift:


Zuletzt von Tastentante am So Jul 08 2012, 14:17 bearbeitet; insgesamt 1-mal bearbeitet
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BeitragThema: Re: Der Zoll des Überlebens   Der Zoll des Überlebens EmptyDo Jul 05 2012, 11:08

Witzige Story. Schreibst du hier noch weiter?

Gruß, Mini Smile
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BeitragThema: Re: Der Zoll des Überlebens   Der Zoll des Überlebens EmptyFr Jul 06 2012, 17:30

Ja, wenn ich endlich wieder mal Zeit habe, ganz sicher Smile
Wird in nächster Zeit aber schwer Sad

Lg Sophie
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BeitragThema: Re: Der Zoll des Überlebens   Der Zoll des Überlebens EmptySa Jul 07 2012, 13:53

Ich finde deine Story echt klasse, werde hier auf jedenfall dran bleiben Smile
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BeitragThema: Re: Der Zoll des Überlebens   Der Zoll des Überlebens EmptyMo Jul 09 2012, 19:25

Ist jetzt vielleicht nicht mehr so witzig aber das kommt wieder.
Ich hab irgendwie einen Hang zu etwas dusteren Figuren und traurigen Geschichten

Hier ruht unser geliebter Sohn
Leonhard Immameyer
(20.03.1981 - 14.06.2003)
Dein Name klingt so langlebig und trotzdem bist du so früh von uns gegangen. Sein Gesicht trat vor ihr geistiges Auge und mit ihm sein schallendes, immer von herzenkommendes, lautes Lachen. Marie-Ulrikes Herz verkrampfte sich und plötzich fühlte sie sich wieder so klein und wehrlos, wie sie es damals gewesen war. An jedem Tag, in jener Zeit. Sie hatte keine Ahnung wie lange sie einfach nur dagestanden und auf die dunkelgraue Granitplatte gestarrt hatte, als sie plötzlich etwas nasses auf ihrer Wange verspürte. Erst dachte sie an Regen oder in dieser Jahreszeit eher üblich Schnee, doch vom Himmel her kam nichts. Nein, der Ursprung lag ganz wo anders, er lag in ihren mit den letzten neun Jahren kalt gewordenen Augen und das Nasse war nichts anderes als eine stinknormale Träne, die alsbald viele Freunde fand, denn plötzlich stand sie einfach nur da und weinte. Hätte jemand ein Instrument zur Hand gehabt um das Schluchzen zu begleiten, es wäre ein bitteres Klagelied geworden. Das Wasser brannte auf ihren Wangen, den die vorherrschende Kälte favorisierte es einzufrieren, doch der Strom der Trauer versiegte nicht. Der Schmerz der Kälte hätte dem Schmerz der plötzlich sintflutartig aus ihrem Herzen stürzte in keinem Duell nur annähernd das Wasser reichen können, doch aufgeben kam für ihn wohl nicht in Frage. Marie-Ulrike war das ziemlich egal, denn sie weinte einerseits aus Schmerz, der nach neuen Jahren plötzlich aus ihr herausbrach, andererseits jedoch aus Freude darüber wieder weinen zu können, denn ihre Tränen waren allesamt am 14. Juni 2003 versiegt. Wer hat eigentlich mal gesagt das die Welt gerecht ist. Wie bescheuert muss man eigentlich sein um so etwas anzunehmen? Oder ist es vielleicht gerecht gewesen, dass Leonhard so früh gestorben ist, genauso wie unser Kind oder das ich überlebt habe. Weil meine Zeit etwas noch nicht bekommen ist, weil ich noch eine Aufgabe auf dieser Erde zu erfüllen habe. Was soll das denn für ein Leben sein, wenn man innerlich schon längst tot ist. War es etwa meine Aufgabe mich mit dieser unterbelichteten Intelligenzallergikerin herumzuschlagen. War es das? Verdammt scheiße, das glaubt doch nicht mal einer, der unter Parranoia oder einer anderen psychischen Störung leidet. Marie-Ulrike schleuderte mit ihrem Schuh ein morsches Ästlein über den Boden. Sie blickte ein weiteres Mal traurig auf den Grabstein. Wieso nur hast du mich verlassen, Leonhardt? irh Blick war verschwommen von den Tränen, doch als sie ihre Augen etwas anhob und über den Grabstein hinausblickte, stockte ihr der Atem. Was macht der da? Der wird doch nicht etwa? Nein. Marie Ulrike begann zu rennen, die Absätze ihrer High Heels hallten am Asphalt, das Blut pulsierte in ihren Ohren. Ist das etwa meine Aufgabe?
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BeitragThema: Re: Der Zoll des Überlebens   Der Zoll des Überlebens EmptyMo Jul 09 2012, 19:38

Ein sehr schöner Teil, auch wenn ich ihn traurig finde...

freue mich wenn du weiterschreibst
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BeitragThema: Re: Der Zoll des Überlebens   Der Zoll des Überlebens EmptyMo Jul 09 2012, 21:27

Freut mich...Es wird in den nächsten Tagen, schon wie es sich mit der Zeit und meiner Kreativität ausgeht.
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BeitragThema: Re: Der Zoll des Überlebens   Der Zoll des Überlebens EmptyMo Jul 09 2012, 21:53

Wow, einfach nur klasse. Ich bin tief gerührt. Schreib bitte schnell weiter, ich liebe deine Storys und deine Art sie in Worte zu fassen Very Happy
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BeitragThema: Re: Der Zoll des Überlebens   Der Zoll des Überlebens EmptySo Jul 15 2012, 13:43

In ihrer Lunge entfachte die kalte Luft ein arg brennendes Feuer, ihr linker Fuß erduldete den harten Aufprall mit der nüchternen Aussendung von Schmerz da er einen Sprint mit High Heels nicht gewohnt war, für den anderen freute sie sich zum allerersten Mal, dass sie ihn nicht spürte und ihr Herzschlag war in den Kehlkopf gewandert, wo er ein Orchester zu ersetzen versuchte und die Angst vor einem erneuten zu spät kommen lastete schwer auf ihrem Innersten. Ihre Gedanken galten einzig dem Mann, den sie zuvor so jämmerlich gegeißelt unter einer Flut der sinnlosesten Erfindung Gottes wahrgenommen hatte. Sie hasste weinende Menschen, doch eigentlich hasste sie nur sich selbst. Was bin ich denn?, stellte sie die eindeutige Frage an sich. Nichts als ein tiefgefrorener Eisklotz der trotz ganzjährigem Campingurlaub in der Tiefkühltruhe noch innerlich schmilzt. Man könnte diesen Zustand auch sterben für Vollidioten, Feiglinge und Schwachmaten nennen oder lebt man etwa noch, wenn es kein Leben für einen mehr gibt...wieso ist es mir eigentlich so wichtig diesen Mann vor dem Tod zu bewahren, wo ich mich doch selbst nach ihm sehne? Keuchend bremste sie schließlich ihre Beine vor dem Häufchen Elend mit Pistole an der Schläfe..
"Halt, tun sie das nicht!", rief sie. Ihre Worte hörten sich hohl und unheimlich weit weg an. Sie meinte jemanden reden zu hören, doch sie sprach selbst, während sie versuchte ihren Atemrythmus wieder zu normalisieren, denn dieser verhielt sich gerade wie ein galoppierendes Pferd.
Der Mann blickte sie erstaunt an. Seine Augen waren weitaufgerissen, gerötet von den Tränen und mit einem Schleier der Trauer umhüllt, sein Ausdruck war trotz allem leer. Er war wohl auch nur noch eine Hülle ohne Inhalt.
"Wozu?", sagte er knapp, während er die Pistole unverändert an seiner Schläfe plaziert hielt.
Ja, wozu, dachte Marie-Ulrike. Verdammt, die Antwort weiß ich doch selber nicht. Wieso will ich ihn eigentlich davon abhalten, wo ich doch selbst schon lange nichts mehr auf das Leben halte? Schluss jetzt, schimpfte sie mit sich selbst.
"Um ehrlich zu sein ich weiß es nicht", sagte sie verlegen, aber doch bestimmt. Irgendwie war ihr das peinlich.
"Sehen sie, also lassen sie mich einfach in Ruhe sterben", antwortete der Fremde, während stumme Tränen über seine Wangen rollten. Die Verzweiflung stand ihm auf die Stirn geschrieben...sein Anblick war einfach grauenhaft.
Auf dem Weg ins Glück eine Straße zu früh abgebogen, dachte Marie-Ulrike. In einer anderen Situation hätte sie darüber gelacht.
"Nein, das werde ich verdammt noch mal nicht tun" Ihre Stimme war nun fest und hart. So ungefähr muss sich eine Stasi-Aufseherin angehört haben, dachte sie. "Ich will ihnen einen Vorschlag machen", sagte sie vorsichtig. "Sie geben mir ihre Waffe und ich erzähle ihnen eine Geschichte und danach können, sie wenn sie immer noch davon überzeugt sind, sich gerne erschießen" Sie wusste das sie sich auf dünnem Eis bewegte, aber sie wollte es versuchen. Vielleicht hatte sie eine Chance, diesen Mann dem Besitz des Todes zu entreißen.
Ungläubig starrte er sie aus seinen leeren Augen an, in Kombination mit der Waffe an seiner rechten Schläfe gab dieser Anblick ein gespenstisches Bild ab. Fast wie eine Filmszene, nur das, das hier die verdammte Realität war.
"Darf ich", Marie-Ulrike deutete auf den linken Rand der Grabkannte.
Er nickte stumm und sie warf noch einen kurzen Blick auf den Grabstein, ehe sie sich zu ihm auf die Marmorkante setzte.

Simone Griesser
02. 03. 1979 - 29. 11. 2011

Ein buntes Meer aus Blumen schmückte die traurige Stätte. Marie-Ulrike blickte stumm auf den Boden und zählte die braunen Nadeln, die noch vom Herbst übergeblieben, den Weg schmückten. Ihr seid auch tot, dachte sie.
"Aber die Waffe bekommen sie nicht", sagte er plötzlich bestimmend.
Na, super, dachte sich Marie-Ulrike.
"Keine Angst, ich tu ihnen nichts. Ich will sterben, nur ich, denn ich will endlich wieder bei meiner Simone sein."
"Dahinten", sie deutete stumm mit dem Finger in die Richtung aus der sie gekommen war. "liegt mein Freund begraben und zwei Reihen weiter unten mein Vater. Er nahm sich das Leben als ich 18 war. Er hat dieses lieblose Leben an der Seite dieser Furie wohl nicht mehr ertragen. Er war außer meinem Großvater, dessen Charakter ist jedoch eine eigenwillige Hausmarke, der einzige der mich verstand, mit dem ich reden konnte. Ohne Leo hätte ich seinen Tod wahrscheinlich nicht überwunden, er war der stützende Pfeiler in meinem unsicheren Leben. Doch dann..." Sie bemerkte wie Tränen in ihre Augen traten. Diese Geschichte war so unglaublich wahnsinnig, dass man sie kaum zu fassen wagte. "Meine Großmutter ließ ihn ermorden, weil ich mit seiner Hilfe aus diesem Verein aussteigen wollte. Ich wollte ein freies, selbstbestimmtes Leben mit dem Mann den ich liebte und von dem ich ein Kind erwartete." Marie-Ulrike machte erneut eine Pause und blickte durch den Tränenschleier auf ihre Finger, insbesondere auf einen, den Ringfinger, an dem ein zarter goldener Ring steckte. Ein würgen walzte sich ihren Rachen herauf. " Doch niemand durfte sich ungestraft ihrer Kontrolle und ihrem verschissenen Verein entziehen, schon gar nicht so eine kleine Schlampe wie ich es in ihren Augen war. Eine intime Beziehung zu einem Mann mit dem man nicht das heilige Sakrament der Ehe vollzogen hatte, war verwerflich. Einfach gegen ihre Regeln, die sie persönlich am öftesten brach. Ich hasste diese Frau so sehr, dass ich es extra gemacht habe. Gut, ich habe Leo sehr geliebt, aber Sex bedeutete uns beiden eigentlich nichts. Es war eigentlich nur eine Protestaktion, na ja und irgendwann wünschten wir uns eben ein Kind... Na ja, als meine Großmutter das rausbekam, dass ich ein Kind erwarte, war es vollkommen aus. Selbst der letzte Funke Menschenverstand und Normalität wich aus ihrem Gehirn. Sie hetzte ihr Killerkommando, das waren ein paar Arbeitslose, die sie gegen gute Entlohnung als Schläger engagiert hatte auf uns. Leo schlugen sie tot und von mir ließen sie kurz davor ab. Mein Überleben könnte man als durchfallen bei der Musterung bezeichnen. Damals dachte ich, ich habe Glück gehabt, doch mittlerweile bin ich davon überzeugt, dass es Absicht war. Sie wollte, dass ich leide und diesen ganzen Schmerz ertragen muss, der über mich hereinbricht. Wäre ich gestorben, würde ich dem entkommen, doch das war ihr zu harmlos. Ich weiß nicht wie lange ich in dieser Gasse in meinem Blut gelegen habe, neben meinem toten Freund. Die Zeit verstrich und ich war wie paralysiert. Ich konnte nicht mehr klardenken...und hoffte nur noch auf den Tod, ohne ihn wollte ich einfach in dieser grausamen Welt nicht leben, denn irgendwie spürte ich, dass ich zwei Menschen verloren hatte, obwohl ich es nicht wahrhaben wollte. Ich kann nicht mehr sagen, wie lange ich dort gelegen habe, es fühlte sich wie Tage an. Irgendwann muss ich das Bewusstsein verloren haben, denn ich weiß nur, dass ich plötzlich im Krankenhaus erwacht bin" Marie-Ulrike bekam einen erneuten Heulkrampf, es tat einfach so unendlich weh sich zu erinnern." Die Ärzte sagten mir, dass sie mein Kind leider nicht retten konnten und ich vermutlich auch nie wieder eines bekommen kann. Das einzige was mir von Leo geblieben wäre. Ab diesem Moment wollte ich wirklich nur noch sterben. Es gab für mich auf dieser Welt nichts mehr, was das überleben gelohnt hätte, denn der einzige Mensch der mich jemals in dieser Familie verstanden hatte und den ich gemocht hatte, war zwei Jahre zuvor freiwillig aus dem Leben geschieden und jetzt war Leo und unser Kind auch noch tot. Ich fühlte mich ungefähr so wie sie jetzt."
Marie-Ulrike hatte während sie gesprochen hatte, die ganze Zeit auf den Boden geblickt, doch nun sah sie ihn erstmals an. Er hatte die Waffe von der Schläfe genommen. Eine Welle der Erleichterung rollte durch ihren Körper.
"Leer, hilflos und man glaubt das der Schmerz einen zerreißt...man fühlt sich schuldig. Man wünscht sich nichts mehr, als dass diese verdammte Stimme im Kopf aufhört einen zu verurteilen und dass man aufwacht und erkennt, das alles nur ein schrecklicher Alptraum war..." weiter kam er nicht, denn nun versank auch er in den Fluten des Herzens.
Starr blickte sie auf die drei hochgewachsenen Fichten, die gute 100 Meter entfernt den Friedhof schmückten.
"Ich wollte auch nur noch sterben. Was sollte ich noch im Leben? Mein Vater war tot, mein Freund war tot und mein Kind war tot. Es war niemand mehr da und mit der Tatsache, dass ich niemals ein Kind haben konnte, war ich ebenfalls nicht fähig zu leben. Ich wollte springen - von unserem Balkon." Marie-Ulrike machte eine Pause.
"Wieso sind sie nicht gesprungen?", fragte der Mann nun.
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BeitragThema: Re: Der Zoll des Überlebens   Der Zoll des Überlebens EmptySo Jul 15 2012, 13:54

Wow wieder ein sehr schöner Teil, bitte schreib bald weiter Wink
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BeitragThema: Re: Der Zoll des Überlebens   Der Zoll des Überlebens EmptySo Jul 15 2012, 14:43

Oh Gott, wie tragisch. Bitte schnell weiterschreiben. Will wissen, was weiter passiert und ob sie es schafft, ihn aufzuhalten Smile
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BeitragThema: Re: Der Zoll des Überlebens   Der Zoll des Überlebens EmptySo Jul 15 2012, 17:03

Danke euch beiden, auch hier gilt. Ich tue mein bestes, doch wann es fertig ist, kann ich nicht versprechen, Leider
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BeitragThema: Re: Der Zoll des Überlebens   Der Zoll des Überlebens EmptySo Jul 15 2012, 18:05

Tastentante schrieb:
Danke euch beiden, auch hier gilt. Ich tue mein bestes, doch wann es fertig ist, kann ich nicht versprechen, Leider

Das macht nichts, freue mich das immer weitergeht Very Happy
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BeitragThema: Re: Der Zoll des Überlebens   Der Zoll des Überlebens EmptySo Aug 12 2012, 20:55

So, auch hier ist die Durststrecke mal beendet- vorerst Wink


"Weil mein Großvater auf den Balkon trat." Marie-Ulrike lachte leise in sich hinein. Dieser Mann ist wirklich ein Orginal für sich. Sie hatte in den vergangenen Jahren wirklich viele Menschen begegnet, doch keiner war wie er gewesen. Der gute, obwohl, dass mit dem gut war so eine Sache, alte Xaver war einzigartig, auch wenn sie lange gebraucht hatte um das zu erkennen. "Er fragte mich seelenruhig, was ich denn vorhabe, obwohl meine Absicht mehr als offensichtlich gewesen war. Ich stand außerhalb des Geländers an dem winzigen Betonvorsprung und hielt mich nur noch mit einer Hand am edel geschwungenen weißen Metallgeländer fest. Er war die Ruhe in Person. Ich sehe ihn noch vor mir, wie er die Kaffeetasse in den Händen hielt aus deren inneren leichte Rauchschwaden aufstiegen und sich das Aroma über die gesamte Terasse entfaltete. Er meinte, dass die Aussicht wunderschön ist von hier oben. Der Balkon verdanke seine Existenz lediglich seiner Leidenschaft für dieses malerische Landschaftsbild. Er sagte: Ich finde es einfach atemberaubend schön wie die Fjorde hier an dieser Stelle das Festland erobern. Scheu und doch fordernd gleiten sie langsam in das fremde Land und beginnen es mit ihrer Schönheit zu schmücken. Das ist der Unteschied zwischen Menschen und der Natur, Menschen fordern immer eine Gegenleistung bei mir ist es vorzugsweise Geld oder Macht, doch die Natur handelt einfach, treu und ohne Hintergedanken. Sie folgt keinen Trends, teilt ihre Bewohner nicht in verschiedene Klassen. Nein, sie ist für jeden von uns gleichermaßen wunderschön und sie akzeptiert uns alle wie wir sind. Ob arm, ob reich, ob mit Blendertum gesegnet oder mit Hässlichkeit, egal. Sie ist die einzige die uns liebt so wie wir sind. Der morgentliche Ausblick auf dieses Naturschauspiel tröstet mich im Alleingang darüber hinweg, dass ich der Karriere wegen meine geliebten Berge zurücklassen musste. In diesem Moment wusste ich, das er nie aus Liebe meine Großmutter geheiratet hatte sondern um zwei mächtige Familien ineinander verfließen zu lassen. Vorsichtig fasste er mich an der Schulter, während er weitersprach. Ich wusste immerschon, das du meinen Sinn für Schönheit geerbt hast. Schade, wenn es meine maroden Gelenke noch erlauben würden, ich würde zu dir kommen um den Ausblick ebenfalls ohne die störenden Gitterstäbe betrachten zu können. Wenn die Sonne auf das Wasser scheint -schau mal- findest du nicht auch das es glitzert wie ein Ozean aus Edelsteinen. Ich stell mir ja dabei immer vor, das meine große Liebe aus diesem Wasser steigt. Ihre Haare fallen in roten, großen Locken über ihren Körper bis zum Bauchnabel, ihre Augen glänzen wie Schmucksteine...Plötzlich wusste ich das ich nicht die einzige war, die im Unglück zu ersticken drohte. Er hasste sein Umfeld mindestens genauso wie ich, doch er hatte nicht aufgegeben, auch in seinem Leben war stückweise alles zusammengebrochen und hat alles mit sich in die Tiefe gerissen." Der Wind blies durch ihr langes blondes Haar und zauberte ihre eine Gänsehaut in den Nacken. Langsam zog der Abend herein und dunkle Wolken schoben sich über den teilweise bereits sterngeschmückten Himmel.
"Ich hab einfach beschlossen so zu werden wie er." Marie-Ulrike blickte auf den Boden.Das war im nachhinein betrachtet nicht gerade der Beste Einfall meines Lebens, aber auf jeden Fall der rettende. Ohne dieses Ziel würde ich heute nicht hier stehen. Ohne ihn hätte ich nicht überlebt..."Marie-Ulrike drohte sich in den Erinnerungen zu verlieren und dem Schwärmen nach einer längst vergangenen Zeit eine allzu große Fläche einzuräumen. Das Vergangene hatte sie immerschon am meisten fasziniert, da es nicht mehr geändert werden konnte. Egal wie schlimm die Zeit damals auch war, man hatte sie überstanden.
"Wie haben Sie das gemacht, ich meine man kann doch die Gefühle die auf einem Bürden wie sechs Kilo Zement nicht einfach abstellen? Das ist unmöglich oder glauben Sie etwa ich habe das nicht versucht?" Der Fremde machte eine Pause ehe er mit akustisch leicht erhöhter Stimme und einem unüberhörbaren Anflug von Groll weitersprach. "Das geht doch gar nicht. Sie...sie erzählen mir doch einfach nur eine rührseelige Geschichte damit ich mich nicht umbringe...sind sie vielleicht irgendso eine Psychopfuschtante, die an einem Lebendobjekt Praxiserfahrung sammeln will. Schließlich bietet sich so eine Chance nicht jeden Tag, nicht wahr?"
"Sie haben es erkannt - mit ihren letzten Worten. NICHT wahr" Wieso müssen Menschen nur immer so misstrauisch sein, wenn man einmal helfen will. Okay, das was ich ihm da erzählt habe klingt ja wirklich verdammt skurill, aber so war es nun Mal. Ich habe halt eine gestörte Verwandschaft, da kann man nichts dran ändern. "Mit Psychopuschtante meinen sie sicherlich die Psychologen, so weit ich weiß sind das die Deppen, die den Deppen sagen, dass sie sich nicht genieren müssen, weil eh alle Deppen sind. Ich bin Lehrerin und ich heiße Elisabeth Thaler, zufrieden!"
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BeitragThema: Re: Der Zoll des Überlebens   Der Zoll des Überlebens EmptySo Aug 12 2012, 20:58

Wow, das ist wieder sehr schön geschrieben...bitte mehr davon Smile
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BeitragThema: Re: Der Zoll des Überlebens   Der Zoll des Überlebens EmptySo Aug 12 2012, 22:39

Hm, Tastentante,
was wird das wohl mit den Beiden?
Schön geschrieben, vor allem die nachdenklichen Worte des Großvaters.
Bin gespannt, was kommt Rolling Eyes
LG Katha
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BeitragThema: Re: Der Zoll des Überlebens   Der Zoll des Überlebens EmptyMi Aug 15 2012, 08:16

Tolle Fortsetzung. Da hat sich das Warten doch gelohnt. Smile
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BeitragThema: Re: Der Zoll des Überlebens   Der Zoll des Überlebens EmptySo Aug 19 2012, 12:48

Danke euch allein für die Kommis Smile


Etwas verdutzt und auch ein wenig beschämt hob der Fremde seinen Kopf. Ein Lächeln zuckte um Marie-Ulrikes Lippen. Ganz verloren scheint er also doch noch nicht zu sein, frohlockte sie innerlich.
"Um ihre Frage zu beantworten, aber das ist nur meine Erfahrung. Der Schmerz hört nie auf, das stimmt, aber wir verlernen ihn als Schmerz zu sehen und erachten ihn als Teil unseres Lebens. Wir integrieren ihn sozusagen in unser tägliches Leben und in diesem Moment hört er auf uns zu quälen. Man könnte auch sagen, er wird unser Freund, ein treuer Begleiter auf allen Wegen."
"Mein...nen Sie?", seine Stimme war brüchig und jeder Buchstabe mit einem Fragezeichen verziehrt.
Marie-Ulrike vergrub währenddessen ihre Hände immer tiefer in ihren Manteltaschen, denn die Kälte begann allmählich übermütig an ihrer Körperwärme zu zehren.
"Ja, das meine ich und sie können es mir auch gerne glauben. Sie werden damit zu keinem Abo oder ähnlichem Kram verpflichtet. Einfach annehmen. Eine einzige Handlung", ihre Worte waren von einem Faden, gesponnen aus Sarkasmus, durchzogen. Sein ungläubiger Blick ließ sie erneut schmunzeln.
Das Klingeln eines Mobiltelefons durchbrach seinen erneuten Antwortimpuls - Es war sein Mobiltelefon, es spielte die Melodie von "Eye of the Tiger" und erneut erhellte ein winziges Lächlen die sonst so ernste Miene von Marie-Ulrike.
"Ja, Mama. Es geht mir gut...Nein, du brauchst nicht mit dem Essen auf mich zu warten...Nein, Mama, es ist nichts passiert, nein bitte...nein...Mama...Bitte...Wo ich bin?...Das, also...ich"
Marie-Ulrike konnte sich das Lachen nun nicht mehr verkneifen und wurde gleichzeitig mit aufkeimender Wehmut konfrontiert, die ihr schmerzlich vor Augen führte, was es bedeutete eine "richtige" Mutter zu haben. Eine Mutter wie sie, sie selbst nie hatte. Ihrem Gegenüber schien der Anruf jedoch eher peinlich zu sein, zumindest deuteten es seine Gesichtszüge an. Männer und Mamas, das ist eben eine eigene Symbiose, die sich die meisten jedoch nur ungern anmerken lassen. Trotzallem Marie-Ulrike fand es schön. Sie würde weißt Gott was drum geben, um eine Familie zu haben, denn ihr genetisch ähnliches Umfeld bestand lediglich aus Deppen, Irren und Neidhammlen, die sich am liebsten alle samt gegenseitig beseitigen würden, nur um des anderen Status für sich selbst zu erlangen.
"Entschuldigung", unterbrach seine Stimme ihre Gedanken. Das Telefonat schien also beendet zu sein.
"Meine Mutter" Ein nervöses Lachen zuckte über sein Gesicht. "macht sich halt immer Sorgen" Schnell senkte sich sein Haupt in Richtung Erde, denn er hatte wohl auch den Irrwitz oder wie man es auch immer bezeichnen mochte erkannt.
Die Luft sog sich blitzartig mit der Stimmung an und wurde dementsprechend schwer. Eine Weile sprach keiner von Beiden ein Wort, was der Situation den Rest gab. Könnten Luft oder Stimmung fliehen, vermutlich wären sie schon längst in Frankreich, Österreich oder sonst wo, hauptsache weit weg. Doch leider konnten sie nicht und deshalb blieben sie.
"Ich finde das schön", sagte Marie-Ulrike schließlich um das unerträgliche Schweigen zu durchtrennen. "Es ist doch nur ein Zeichen, dass ihre Mutter sie sehr gerne mag. Ich wäre froh gewesen, wenn sich meine Mutter mal um mich gesorgt hätte"
Erneut zuckte ein neröses und diesmal auch zusätzlich vertontes Lachen durch die ungemütliche Ruhe.
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BeitragThema: Re: Der Zoll des Überlebens   Der Zoll des Überlebens EmptySo Aug 19 2012, 20:43

Wieder eine wundervolle Fortsetzung von dir und wieder sehr schön geschrieben.
Bin gespannt wie es weiter geht.
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Sonnenschein
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BeitragThema: Re: Der Zoll des Überlebens   Der Zoll des Überlebens EmptySo Aug 19 2012, 21:21

"Meine Mutter nimmt das zu ernst, fürchte ich" Seine Augen verdrehten sich, wohl um seine Überdrüssigkeit artgerecht zu unterstreichen.
"Diese Behauptung kann ich entschieden zurückweisen - dazu muss ich keine Psychopfuschtante sein", konterte Marie-Ulrike schließlich und würzte die letzten Worte mit einer ordentlichen Ration Sakrasmus.
Dieses "Gewürz" müsste eigentlich ihr vierter Vorname sein, so oft wie sie sich an ihm bediente. Wäre die Benützung kostenpflichtig, sie müsste direkt schon Miteigentümerin der Vertriebsgesellschaft sein, so viel Pacht hätte sie in den letzen Jahren gezahlt. Ihr Gegenüber blickte sie stark skeptisch an und seine Mimik verrieht, dass Marie-Ulrike sich auf sehr dünnem Eis zu bewegen schien. Seine Mutter hatte wohl in seinem Geiste nicht den Status, von dem sie selbst glaubte, dass er ihr zugedacht war. Sie nervte ihren Sohn wohl mehr als sie ihm half. Ein logischer Gedanke, wie Marie-Ulrike es langsam erkannte, denn hätte sie zu ihrem Sohn die innige Beziehung, von deren Existenz sie träumte, würde er wohl nicht stumm und heimlich versuchen sich zu seiner verschidenen Gattin zu verpusten. Anscheinend konnte er mit ihr nicht richtig reden...das Vertrauen schien zu fehlen, dass wissen, das sie ihn für seine Gedanken und Gefühle nicht verurteilt. Scheinbar glaubt er, den starken Mann vor ihr spielen zu müssen...wahrscheinlich um sich selbst mit dem Gefühl stark, erwachsen und selbstbewusst zu sein, einzuölen. Nur das er gegen ein oder mehre Inhaltsstoffe der Lotion allergisch ist...Klar, ein anderer würde es auch nicht benötigen, sondern zu seinen Fehlern stehen und die Chance zum vertraulichen Gespräch nicht ausschlagen.
"Kinder sind ihren Eltern nicht verpflichtet eine heile Welt zu erschaffen, schon gar nicht wenn diese nur aus Pappmauern besteht und bei der kleinsten Windböe in sich zusammenrumpelt. Hören sie auf, ihrer Mutter den starken Sohn vorzuspielen, der sind sie nämlich nicht. Sie sind höchstens ein armes kleines Würstchen ohne einen Funken Selbstbwusstsein und...", weiterkam sie nicht, denn anscheinend war das Leben in den Fremden nun endgültig zurückgekehrt.
"Hören Sie auf, nur weil sie mich gerade vor dem Kauf eines unwiderruflichen One-Way-Tickets bewahrt haben, brauchen sie sich hier nicht aufspielen, wie die Axt im Wald. Nur weil zwei Menschen eine ähnliche Geschichte haben, macht es sie noch nicht zu eineiigen Zwilligen und deshalb muss ich nicht wie sie denken, nicht wie sie fühlen und schon gar kein Problem mit meiner Mutter haben."
Marie-Ulrike hatte seinem mit steigender Wutregentschaft frisch entsprungenen Wörterfall aufmerksam zugehört und sich schlussendlich das Lachen nicht mehr verkneifen können. Lange hatte sie gekämpft, doch letzendlich hatte das Amüsement über seinen verzweifleten Versuch, das unrettbare zu retten, gesiegt. Es war einfach ein grandioses Schauspiel der Extraklasse, das er ihr bot und es war nicht allzu sehr, das was er sagte sondern viel mehr die Art und Weise wie er es sagte. Seine gequälte Mimik, die verschnökleten Versuche seine Worte mit Gestik zu untermalen und als Krönung noch die andauernde Bürstenleistung mit der rechten Hand an seine schwarzen Locken, die er zwischendurch immer aus dem Gesicht wischte, obwohl sie nicht mal die Länge besaßen sein Sehfeld zu beeinträchtigen. Glaubte er ernsthaft mit ein bisserl Handakrobatik aus einer falschen Sicht der Wahrheit eine richtige zu machen. Letzere war allerdings nur ein Ausdruck der Unsicherheit. Er braucht etwas um sich festzuhalten, da waren die Haare schon ein guter Ort dafür, denn sie konnten der Situation nicht entfliehen. Sie sind treue Diener ihres Herren, egal wie sehr er sie auch quälte, um seinem Inneren einen Ruhezustand zu verschaffen, denn er solange nicht erreichen wird, bis er die Tatsachen, als dass anerkennt was sie sind. Stumme Zeugen seiner Unsicherheit. Zumindest wurde er von allem dem so vereinnahmt, dass er die erhellte Mimik in ihrem Antlitz nicht bemerkte, vermutlich auch etwas wert.
Würde sie nicht sein Antlitz sehen, sie würde tatsächlich in den Glauben verfallen, dass sie ein Pubertiernder mit seinen flaschen Überzeugungen übergoss und nicht ein erwachsener Mann Mitte 30. Wüsste man nicht, das sie meisten Männer selbst in diesem Alter noch das Verhalten von Pubertierenden haben, sie würde sich ernsthafte Sorgen um seinen Geisteszustand machen.
"Ich kann ihnen nur zustimmen. Es macht uns wirklich nicht zu gleichen Menschen, weil wir die "selbe" Vergangenheit haben, aber es macht etwas mit uns - ich meine die Erlebnisse, sie verändern uns. So zeigen sie uns z.B. auch, wem wir wirklich vertrauen und wem nicht, wer für uns gut ist und wer nicht"
"Meine Mutter ist kein schlechter Mensch, nur weil unsere Beziehung nicht ihre Erfahrungen ausfüllt. Wer glauben sie, eigentlich wer sie sind? Der Rächer der Verdammten, oder was?"
"Ihre Mutter ist gewiss kein schlechter Mensch, aber sie versperren ihr den Zugang zu ihrem Herzen, aus welchem Grund auch immer. Vielleicht halten sie das für unmännlich. Ich weiß es nicht und es geht mich gewiss auch nichts an. Denken sie einfach darüber nach, mir müssen sie es nicht sagen, sondern legdiglich für sich selbst etwas ändern."
"Haben sie das mit ihrer Mutter gemacht, ja. Hat es gewirkt?"
Jetzt hatte er sie erwischt. Die Beziehung zu ihrer Mutter war noch genauso desolat wie eh und je, aber das hatte andere Gründe. Ihre Mutter war einfach nie interssiert an einer ernsthaften Beziehung zu ihrer Tochter, das war der Hasenfuß, aber das verstand dieser Tanzbär der Einfühlsamkeit vermutlich nicht. Der is störrischer als jeder reinrassige Esel, nur weil er nicht erkennen will, das es in der Beziehung zwischen ihm und seiner Mutter ordentlich hakte, was ja überhaupt nicht schlimm wäre, schließlich ist das ja kein Geständnis ein Massenmörder zu sein, für das man mit einem Urlaub hinter schwedischen Gardinen belohnt werden würde...Männer, dachte Marie-Ulrike, etwas genervt und stieß angestrengt die Luft aus, sodass ein leichter Luftzug über ihre Lippen streifte, von dem sie sich einbildete, dass er einen Moment lang die vorherrschende Kälte verdrängen würde.
"Hier geht es nicht um mich, sondern um sie. Ich komme alleine klar und wenn nicht, gehe ich mittlerweile zu meinem Großvater. Zufrieden. Meine Mutter und ich verstehen uns nicht besonders und auch wenn ich davon ausgehe, dass sie das nötige Verständnis dafür nicht haben und vermutlich auch nie kriegen werden, denn Gefühle gibt es nicht im Supermarkt zu kaufen, erkläre ich es ihnen trotzdem" Marie-Ulrike strich sich eine Strähne aus dem Gesicht, die der Wind ihrer Frisur entwendet hatte. " Sie hat mit ihrer unmenschlichen, rohen Art meinen Vater in den Freitod getrieben und das mit voller Absicht, das ist nicht zu verzeihen...vielleicht können sie das verstehen".
Marie-Ulrike senkte verlegen den Blick und wippte mit ihren Schuhen vor und zurück, während besagte Haarsträhne erneut in ihr Sehfeld segelte und sie, sie wieder mit einem genervten Handgriff nach hinten beförderte, wo sie jedoch nich bleiben wollte. Ein leiser Fluch glitt über ihre Lippen und langsam traten einzelne Tränen in ihre Augen. Mit dem Tod ihres Vaters hatte sie wohl immer noch nicht abgeschlossen und so spührte sie plötzlich wieder die wohl bekannte Beklemmung in der Brust langsam stärker wurde. Der Atem glitt aus dem Rythmus und Marie-Ulrike presste mit Angst erfüllter Miene ihre rechte Hand auf die Brust in der sie mit zunehmender Unruhe ihren viel zu schnellen und viel zu lauten Herzschlag vernahm...Ihre Füße begannen zu zappeln und immer wieder schwang sie ihr Bein in die Luft. Bitte nicht, nicht jetzt, ich kann nicht mehr...ich will hier nicht sterben, bitte Gott sei gnädig mit mir. Nein...Nein...Kalter Schweiß trat aus ihren Boren und einzelne Schweißperlen traten sichtbar auf ihre Stirn. Marie-Ulrike begann am ganzen Körper zu zittern und ihr Atemrythmus nahm eine bedenkliche Arbeitsweise an. Schließlich versagten ihre Knie den Dienst und sie klatschte auf den harten Asphaltboden nieder, wo sie nun mit der einer Hand an ihrem Hals und der anderen auf ihrer Brust wild strampelnd liegen blieb und in die vor entsetzen geweiteten Augen ihres Gegenübers blickte.
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BeitragThema: Re: Der Zoll des Überlebens   Der Zoll des Überlebens EmptyMo Aug 20 2012, 07:03

Tolle Fortsetzung Smile freue mich wenn es weiter geht.
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BeitragThema: Re: Der Zoll des Überlebens   Der Zoll des Überlebens EmptyMo Aug 20 2012, 17:38

Irgendwie habe ich das Gefühl diese Geschichte ist nur noch ein Wörterhaufen, ich glaube es fehlt der wirkliche Teifgang.

Wie seht ihr das? Soll ich noch weiterschreiben oder hat die Geschichte ausgedient?

LG Tastentante


Mensch, du hast das ja nicht zum ersten Mal, dachte sie und versuchte sich damit zu beruhigen. Doch Fehlanzeige. Das Luftangebot in ihren Lungenflügeln wurde immer knapper, ihre Beine strampelten als hätte sie einen „Zappelphilip“ zum Mittagessen verspeist und ihr Herz schien zu bersten - vor Angst. Beruhige dich, es ist alles gut. Das ist nur eine scheißordinäre Panikattacke wie du sie schon gefühlte 1000 Mal gehabt hast. Ich sterbe nicht daran. Es ist alles völlig harmlos und in spätestens 5 Minuten ist der ganze Zauber wieder vorüber. Marie-Ulrikes Nägel krallten sich noch stärker in die Haut an ihrem Hals. Sie suchte Halt, Halt den sie in ihrem Leben einfach nicht fand. Immer wieder rutschte sie auf einer Bananenschale aus und segelte mit voller Wucht in die nächste Attacke. Ihr Blick glitt in den Himmel der stolz weit über ihr prangte und unbekümmert den Dingen ihren Lauf ließ. Verzweifelt suchte sie nach einer Wolke oder einem Wolkenfetzen einem letzten Sonnenstrahl der lila oder orangefarbene Muster in den blauen Himmel malte, einfach irgendetwas an dem sie sich festhalten und auf das verstreichen der Zeit warten konnte. Doch da war nichts, außer dem kahlen Himmel der langsam in den Atem der Nacht eintauchte und sein Antlitz davon einfärben ließ. Hör auf deinen Herz- und Atemrythmus, halt es aus. Vielleicht stimmt es ja wirklich. Vielleicht kann man sich damit wirklich helfen. Nein, aber... Achtlos streifte ihr Blick weiter und blieb schließlich an dem Fremden haften, der nervös an seinem Mobiltelefon herumwerkte. Was macht der da, schoss es ihr plötzlich durch den Kopf. Sein Gesicht war gerötet, vermutlich von der Aufregung, hastig blickte er sich um. Brüllte nach Hilfe.
"Keine Rettung", presste sie schließlich hervor.
Ihre Stimme klang zittrig und atemlos. Mit einem Wort gesagt, sie klang wie aus der Geisterbahn. Das hat er mir jetzt sicher geglaubt. Mensch, ich lieg hier und röchle, als läge ich in meinen letzten Zügen.
Der Fremde hatte kurz aufgeblickt und starrte sie nun mit verwirrten und wohl auch vor Schreck geweiteten Augen an. Sein Antlitz war von einer Maske aus Schmerz, Hilflosigkeit und riesiger Angst eingehüllt. Sein Kehlkopf bebte. Man konnte ihm direkt vom Gesicht ablesen, was ihm gerade durch den Kopf ging. Diese Situation hier war wohl für beide eine große Chance. Es lag nur an ihnen, ob sie, sie erkennen und auch wahrnehmen.
"Gleich vorbei", fügte Marie-Ulrike schließlich hinzu, während ihre Stimme um keinen Deut glaubhafter geworden war.
Die Skepsis ihres Gegenübers war überdeutlich, seine Stirn legte sich in Falten während seine Finger nervös über den Nummernblock seines Mobiltelefons strichen. Er focht eindeutig einen inneren Kampf, für was er sich entscheiden sollte. Konnte er wirklich die Verantwortung übernehmen und ihrem Wunsch folge leisten?
Und nun tat sie wirklich das bisher unumsetzbare. Sie konzentrierte sich auf ihre Angst und deren körperliche Gehilfen. Genau beobachtete sie den rasenden und sich beinahe überschlagenden Herzschlag, das schwere Gefühl in ihrer Lunge, ihren unregelmäßigen Atem, ihre zitternden Hände, ihre vor Nervosität strampelnden Beine. Langsam versuchte sie ihre Beine und Arme ruhig zu bekommen, ließ währenddessen ihren Atem und ihren Herzschlag nicht von ihrem Radar. Sie sträubte sich innerlich gegen diese bewusste Konzentration, am liebsten würde sie davon laufen, weit weg von ihrem eigenen Körper. Halt durch, du schaffst das. Ich schaffe das, ich schaffe das, ja, ich schaffe das. Ich bin gut, ich bin die Beste. Immer und immer wieder wiederholte sie die Affirmationen in ihrem Geiste. Ihr Herz schlug immer noch wie der Geigerzähler in Tschernobyl, doch ihre Atmung beruhigte sich langsam. Nicht viel, aber für sie war eine winzige Besserung spürbar.
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BeitragThema: Re: Der Zoll des Überlebens   Der Zoll des Überlebens EmptyMo Aug 20 2012, 19:53

Toll geschrieben. Zwei mit einem ähnlichen Schicksal. Bin gespannt, wo das ganze noch alles hinführt. Freu mich auf eine Fortsetzung ... Smile
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BeitragThema: Re: Der Zoll des Überlebens   Der Zoll des Überlebens EmptyDi Aug 21 2012, 11:38

Ich schließe mich mal Mini an.

Freue mich auf eine Fortsetzung von dir.
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BeitragThema: Re: Der Zoll des Überlebens   Der Zoll des Überlebens EmptyMi Sep 12 2012, 20:01

das ist eine so hammer geschichte und ich hoffe du schreibst noch weiter denn ich will wissen wie es weiter geht Very Happy
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